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ASB Regionalverband Vorpommern-Greifswald e.V.

[10. Dezember 2019] Rettungswache Wusterhusen

Telenotarzt Vorpommern-Greifswald

Seit über einem Jahr läuft im Landkreis Vorpommern-Greifswald (Mecklenburg-Vorpommern) das Projekt „Telenotarzt“: Mit Hilfe modernster Kommunikationstechnik unterstützen Mediziner die Notfallsanitäter bei ihren Einsätzen. Die ASB-Rettungswache Wusterhusen vollzog damals den Startschuss für das ambitionierte Vorhaben. Jetzt ziehen die Initiatoren und Retter eine erste Zwischenbilanz. „Der Telenotarzt ist unsere Zukunft“, betont Andreas Schössow, Leiter der ASB-Rettungswache Wusterhusen.

Seit über einem Jahr läuft im Landkreis Vorpommern-Greifswald (Mecklenburg-Vorpommern) das Projekt „Telenotarzt“: Mit Hilfe modernster Kommunikationstechnik unterstützen Mediziner die Notfallsanitäter bei ihren Einsätzen. Die ASB-Rettungswache Wusterhusen vollzog damals den Startschuss für das ambitionierte Vorhaben. Jetzt ziehen die Initiatoren und Retter eine erste Zwischenbilanz. „Der Telenotarzt ist unsere Zukunft“, betont Andreas Schössow, Leiter der ASB-Rettungswache Wusterhusen. 

Wusterhusen/Greifswald – Enrico Wienholz tritt an diesem Morgen auf die Terrasse der Rettungswache Wusterhusen und lässt seinen Blick über Wiesen und Felder schweifen – ländliche Idylle pur. Es dampft aus seiner Kaffeetasse und das schwarze Lebenselixier verströmt einen angenehmen Duft – am Horizont bahnt sich die Sonne langsam ihren Weg. Der 41-Jährige nickt zufrieden und atmet tief ein. „Herrlich – diese frische Seeluft“, meint er und nippt an seinem Kaffee. „In drei Kilometer Luftlinie befindet sich der Greifswalder Bodden – und auch die Ostsee ist nicht weit entfernt.“ 

Was nach romantischem Urlaub am Strand klingt, birgt für den Rettungsdienst des Landkreises Vorpommer-Greifswald im hohen Nord-Osten der Republik Herausforderungen. Teilweise müssen die Retter große Entfernungen überbrücken, bis sie zum Einsatzort gelangen – zudem wird es zusehends schwieriger, immer einen Notfall-Mediziner in der vorgeschriebenen Rettungszeit vor Ort zu haben. Eine Lösung: der Telenotarzt. 

„Ein Notfall-Mediziner sitzt dezentral in einem Büro in Greifswald, er unterstützt mit seiner Fachkompetenz die Notfallsanitäter. Der Telenotarzt kommt bei nicht lebensbedrohlich verletzten oder erkrankten Patienten zum Einsatz. Damit erhöhen wir die Verfügbarkeit der Notärzte für Einsätze, bei denen der Patient in einer lebensbedrohlichen Lage schwebt“, erläutert Dr. Timm Laslo, Leiter des Eigenbetriebs Rettungsdienst im Landkreis Vorpommern-Greifswald, die Idee des Projekts, des einst in Aachen entwickelt wurde. Dr. Lutz Fischer, Ärztlicher Leiter, ergänzt. „Der Telenotarzt ist dank modernster Kommunikationstechnik mit dem Rettungsdienstpersonal verbunden und kann somit die ärztliche Betreuung bei den Einsätzen sicherstellen. Wir geben den Mitarbeitern zudem Rechtssicherheit bei der Durchführung von medizinischen Maßnahmen.“ 


Sechs Rettungswagen im Landkreis Vorpommern-Greifswald im Telenotarzt-Projekt integriert. 

Bisher sind sechs Rettungswagen im Landkreis Vorpommern-Greifswald mit der modernen Telenotarzt-Technik ausgestattet – darunter die ASB-Rettungswache Wusterhusen. „Wir haben den Anfang gemacht“, erläutert Wachleiter Andreas Schössow und tritt zu seinem Kollegen Enrico Wienholz auf die Terrasse der Rettungswache. Beide genießen an diesem Morgen die ländliche Ruhe – und ihren Kaffee. Doch plötzlich meldet sich der Alarm-Pieper. Kurzer Blick auf die Nachricht – und schon laufen beide zum Rettungswagen. Sie greifen zur Mittelkonsole ihres Rettungswagens, an der sich zwei Headsets befinden. Eine routinierte Bewegung und schon sitzt der „Mann im Ohr“ – und die Verbindung zum Telenotarzt steht.

Auf der Anfahrt zieht Enrico Wienholz aus seiner Tasche ein spezielles Handy, das extra für das Telenotarzt-Projekt konfiguriert ist. „Mit dem Handy kann ich beispielsweise Fotos an den Telenotarzt senden“, berichtet der Notfallsanitäter, während Wachleiter Andreas Schössow den Rettungswagen steuert.  
Am Einsatzort eingetroffen, ruft Enrico Wienholz in sein Headset: „Guten Morgen, Berthold.“ „Guten Morgen, Jungs“, kommt es von der anderen Seite mit tiefer, ruhiger Stimme. Hinter dieser verbirgt sich Notfallmediziner Berthold Henkel – der Telenotarzt an diesem Tag. Insgesamt stehen 13 Telenotärzte zur Verfügung. „Ich bin von der Idee überzeugt – sie spart Ressourcen und Kosten und sichert gleichzeitig die hohe Qualität der medizinischen Versorgung“, erklärt Berthold Henkel. 

In der Telenotarztzentrale leuchtet plötzlich eine rote Lampe an Berthold Henkels Schreibtisch. Klares Zeichen: Ein Ruf der Notfallsanitäter geht ein – es sind erneut die ASB-Retter aus Wusterhusen. Schon nach den ersten Sätzen wird klar: Die Unterhaltung ist von gegenseitigem Respekt geprägt – der Mediziner und der Notfallsanitäter begegnen sich auf Augenhöhe. „Wir kennen uns alle schon sehr lang und schätzen die Arbeit des anderen“, betont der ehemalige Basketball-Junioren-Nationalspieler Berthold Henkel, der vor seinen vier Monitoren im Telenotarzt-Büro sitzt. „Mit Hilfe der Monitore kann ich alles überblicken“, meint der 35-Jährige und zeigt auf einen der Bildschirme. Dort ist eine Landkarte zu sehen, auf der die einzelnen Rettungswagen und ihre Position markiert sind. Auf einem anderen Monitor ist ein EKG zu erkennen. „Dieses kommt in Echtzeit gerade von einem zweiten Rettungswagen – dank der Funkverbindung kann ich alle relevanten Daten auf meinen Monitoren sehen und auswerten“, erläutert Berthold Henkel und nimmt sofort Kontakt mit den anderen Rettern auf, um das weitere Vorgehen zu besprechen. 

Datenübermittlung in Echtzeit

In der Zwischenzeit sind die ASB-Retter Enrico Wienholz und Andreas Schössow am Einsatzort angekommen und haben den Patienten bereits in den Rettungswagen gebracht. Auch sie übermitteln sofort alle Daten in Echtzeit an den Telenotarzt, der sich sofort über das Headset meldet. 

Mit Hilfe einer Videokamera, die im Rettungswagen montiert ist, kann Berthold Henkel zudem den Patienten sehen. Diese wird jedoch nur eingeschaltet, wenn der Patient seine Einwilligung gibt. Schnell ist klar, welche Maßnahmen eingeleitet werden – der Patient ist somit bestens versorgt. Und der Transport in die Universitätsklinik Greifswald beginnt. Auch während der Fahrt ins Krankenhaus ist der Telenotarzt ständig mit den Rettern verbunden. „Für mich ist das eine zusätzliche Absicherung – es gibt mir ein gutes Gefühl und ich kann mir fachkundigen Rat holen“, meint Andreas Schössow, der nach knapp einem Jahr Telenotarzt ein sehr positives Fazit zieht: „Für mich ist das die Zukunft.“

Bei diesen Worten nickt Kollege Enrico Wienholz zustimmend. „Das System funktioniert bereits sehr gut, aber es gibt auch noch Verbesserungspotenzial: Die Netzabdeckung in unserem ländlichen Raum ist nicht immer zu 100 Prozent gewährleistet.“ Dies unterstützt Rettungsleiter Andreas Schössow: „Der Netzausbau muss oberste Priorität haben – unsere Rettungswagen sind mit drei unterschiedlichen Funknetz-Anbietern ausgestattet, doch es kommt vor, dass es Orte gibt, die kein Netz haben – das kann und darf nicht sein. Im Netzausbau muss der Turbo-Gang eingelegt werden.“

Diese Verbesserungsvorschläge werden bei den Verantwortlichen des Eigenbetriebs Rettungsdienst im Landkreis Vorpommern-Greifswald gern gehört. „Nur Ehrlichkeit bringt uns weiter – wir sind auf die konstruktive Kritik angewiesen, um das Telenotarztprojekt weiter zu entwickeln und zu verbessern“, betont Dr. Timm Laslo, der zusammen mit Dr. Fischer das Telenotarzt-System ausbauen möchte. „Unser Ziel ist es, immer mehr Rettungswagen mit der modernen Technik auszustatten.“ 
Über 1200 Telenotarzt-Einsätze im Landkreis Vorpommern-Greifswald

Über 1200 Telenotarzt-Einsätze gab seit dem Start des Projekts im Landkreis Vorpommern-Greifswald – über 200-mal kamen die ASB-Retter aus Wusterhusen zum Einsatz. „Es gibt Fälle, da empfiehlt die Leitstelle, dass wir mit dem Telenotarzt zusammenarbeiten sollen. Zudem haben wir aber auch die Möglichkeit, selbst den Telenotarzt zu kontaktieren, wenn wir ärztlichen Rat brauchen. Diese Flexibilität schätze ich, denn im Endeffekt entscheiden wir vor Ort, ob wir den Telenotarzt in Anspruch nehmen“, erläutert Andreas Schössow. 

Kollege Enrico Wienholz legt bei diesen Worten seine Hand auf Andreas Schössows Schulter: „Kannst Du Dich noch an die Anfänge des Telenotarzt-Projekts erinnern“, meint er mit einem Lächeln auf den Lippen. „Viele Kollegen - auch von anderen Rettungswachen – waren skeptisch, dachten, Sie werden durch den Telenotarzt überwacht und in ihrer Arbeit eingeschränkt.“ Andreas Schössow nickt: „Von diesen Bedenken ist nichts geblieben – ganz im Gegenteil: Ich möchte den Telenotarzt nicht mehr missen – für mich ist das die Zukunft des Rettungsdiensts.“

Infokasten Zahlen und Fakten zum Telenotarzt (TNA)

Start des Telenotarzt-Projekts: 4.Oktober 2017 um 7.30 Uhr – seit 8. Februar 2018 alle geplanten sechs Rettungswagen in Betrieb.

Anzahl Telenotärzte: 13 Telenotärzte.

Einsätze (Stand 1. September 2018): 189 von insgesamt 1153 registrierten TNA-Einsätzen in Vorpommern-Greifswald leistete die ASB-Rettungswache Wusterhusen.

Durchschnittliche Konsultationsdauer: zwischen Notfallsanitätern und Telenotarzt beträgt circa 23 Minuten / aktive Gesprächsdauer rund zehn Minuten.

Nur ca. 1 Prozent aller Patienten lehnt eine TNA-Behandlung ab.

In über der Hälfte der 189 Wusterhusen-Einsätze hat der TNA die Gabe eines Medikamentes angeordnet (57 Prozent). In rund einem Drittel aller Einsätze mit TNA-Beteiligung und der Rettungswache Wusterhusen erfolgte die Gabe eines Opiates.